Bilderkennung verbessert die prädiktive Instandhaltung
Jeden Tag transportiert ein Hochgeschwindigkeits-Zug wie der ICE viele hundert Passagiere durchs Land und passiert dabei Tunnel und andere Gebäude entlang seiner Route. Unentdeckt wird die Infrastruktur dabei jedes Mal ein kleines bisschen abgenutzt, ein feiner Riss könnte sich bilden, die Tektonik eines Tunnels leicht verschieben oder ein Schlagloch entstehen. Falls diese kleinen Schäden unentdeckt bleiben, können sie leicht wachsen und kostspielige Reparaturmaßnahmen, Verzögerungen im Betriebsablauf oder noch schlimmer Schäden an Leib und Leben verursachen. Mittels Bilderkennungsverfahren können diese Risiken erkannt werden, bevor sie die Sicherheit der Reisenden bedrohen und die reibungslosen Abläufe gefährden.
Bilderkennungsverfahren sind „Game Changer“
Typische Instandhaltung basiert überwiegend auf manuellen Inspektionen, die in festen Intervallen durchgeführt werden. Ihr Nutzen steht dabei außer Frage, es handelt sich aber um zeitaufwändige und potenziell fehleranfällige Aktivitäten bei denen frühe Anzeichen von Schäden übersehen werden können. Deshalb suchen Organisationen immer mehr nach modernen Technologie-basierten Lösungen, um proaktive Instandhaltungsstrategien zu implementieren.
Eine dieser Technologien ist die Bildererkennung, in der moderne Algorithmen aus dem Bereich Computer Vision verwendet werden, um Bilddaten auszuwerten und einer Maschine soweit das „Sehen“ zu ermöglichen und Bilder zu interpretieren, wie dies auch dem Menschen möglich ist. Im Bereich prädiktive Instandhaltung (Predictive Maintenance), arbeitet die Bilderkennung so, dass Bilder oder Videos von beispielsweise Betriebsmitteln oder Infrastruktur mittels eines Models aus dem maschinellen Lernen (Machine Learning / ML) auf Anomalien oder Abnutzungserscheinungen untersucht wird.
Bilderkennung findet jetzt schon Eingang in diversen Bereichen. Zum Beispiel ist im Bereich der industriellen Fertigung die Erkennung von Rissen in Pipelines, Rost-Erkennung bei Maschinen oder Überwachung der Betriebstemperaturen durch IR-Kameras verbreitete Praxis.
Ein weiterer Anwendungsfall jüngsten Datums war die Olympiade 2024 in Paris, bei der Bilderkennung eingesetzt wurde, um die Sicherheit zu erhöhen und Abläufe zu optimieren. Mit einem Netzwerk von Kameras und ML-Algorithmen, wurde die Leitung der Menschenmengen überwacht und gesteuert, verlorene Gegenstände wiedergefunden und die Sicherheit allgemein erhöht.
Vom Machine Learning Model in die Realität
Wie kommt man von einem Bilderkennungsalgorithmus zu Echtzeit-Vorhersagen? Betrachten wir den Prozess an einem Beispiel mit einem Deep Learning Verfahren namens U-Net, das für Segmentierung bei Bildern (Image Segmentation) eingesetzt wird.
Der Prozess beginnt mit dem Training des U-Net Modells auf einem Datensatz bestehend aus Bildern mit bekanntem Inhalt, bei dem für jedes Bild die interessanten Areale wir Risse oder Rost markiert sind. Durch dieses Training lernt U-Net die Muster die zur Identifikation der Areale nötig sind.
Sobald das Training abgeschlossen und das Model validiert ist, wird es für den Einsatz auf einem Edge Device wie einem mobilen Sensor oder Roboter optimiert. Edge bezieht sich hierbei auf den Ort des Gerätes „am Rande“ (Edge) des Netzwerkes sozusagen „mit Kontakt zur Außenwelt“. Auf einem Edge Device kann das Model direkt vor Ort genutzt werden, ohne dass eine Verbindung zu einem zentralen Server erforderlich ist.
Anschließend kann das Edge Device Aufnahmen machen und sie sofort vom U-Net Model bewerten lassen. Wenn das Model eine Anomalie wie einen Bruch feststellt, kann unmittelbar das Instandsetzungsteam alarmiert werden. Für unser Eingangsbeispiel mit dem Zug bedeutet dies, dass die Gleise instandgesetzt werden können, bevor die Gefahr von größeren Schäden besteht.
Vorteile und Herausforderungen
Bilderkennung zur prädiktiven Instandhaltung bietet mehrere Vorteile. So erlaubt sie die Überwachung aus der Ferne und die Reduktion von Bedarf für Personal vor Ort. Sie verlängert die Lebensdauer von Betriebsmitteln durch eine frühzeitige Erkennung von Abnutzungserscheinungen, was zu weniger Ausfällen und verringerten Kosten führt. Durch effizientere Instandhaltung wird die Nachhaltigkeit gefördert, dadurch dass unnötige Reparaturen und Materialverbräuche vermieden werden.
Während die Vorteile beeindruckend sind, ist die Bilderkennung nicht ohne Herausforderungen einsetzbar. Die größte Hürde ist die Verfügbarkeit von genug annotierten Daten. Die Zusammenstellung von qualitativ hochwertigen Trainingsdatensätzen ist zeit- und arbeitsintensiv. Schwankungen in den Bilddaten sind ebenfalls eine Hürde: Bilder sind oft in variierenden Lichtverhältnissen, verschiedenen Blickwinkeln oder einfach in verschiedenen Umgebungen aufgenommen worden, die einen Einfluss auf die Modelgüte nehmen können und weitere Vorbereitungsschritte erfordern könnten.
Jüngste Entwicklungen
Durch die Entwicklungsgeschwindigkeit von Deep Learning und Bilderkennung erreichen wir eine neue Ära, in der Betriebsmittel und Infrastruktur dauerhaft durch „digitale Augen“ überwacht werden können.
Ein weiterer Trend ist der Einsatz von digitalen Zwillingen (Digital Twins), also virtuellen Modellen physischer Infrastruktur, die zur Simulation (z.B. von Zukunftsszenarien) eingesetzt werden können ohne Schäden an der realen Infrastruktur zu riskieren. Dieses Konzept wurde bei der Olympiade 2024 in Paris ebenfalls angewendet: Dort halfen digitale Zwillinge der Veranstaltungsorte den Organisatoren, bei der Planung die Platznutzung und Bewegung der Menschenmengen zur Optimierung der Sicherheit und des Komforts zu berücksichtigen.
In einer Welt, in der jede einzelne Minute Ausfallzeit mit substanziellen Kosten verbunden sein kann und bei der Sicherheit das oberste Gebot ist, ist die prädiktive Instandhaltung auf Basis von Bilderkennung ein „Game Changer“. Durch die Kombination der Stärken von maschinellem Lernen und Edge Devices, können Unternehmen Probleme erkennen und beheben bevor sie eskalieren. Dies führt zu reibungsloseren Abläufen und höherer Betriebssicherheit. Die Entwicklung von Bilderkennung und prädiktiver Instandhaltung wird sich noch verfeinern und breiter anwenden lassen und die Weise wie wir Betriebsmittel und Infrastruktur schützen radikal verbessern.
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